Die Saison 2023–24 ist für Anrei Hakulinen die erste im Trikot der Augsburger Panther und auch die erste Spielzeit außerhalb seiner finnischen Heimat. Im Sommer unterzeichnete der 34-jährige Stürmer einen Vertrag für die aktuelle Spielzeit bei den Panthern. Vor einigen Wochen haben wir uns mit ihm getroffen, um über seine bisherige Laufbahn und seine Zeit in Augsburg zu sprechen.
Anrei wurde in Turku, Finnland geboren und stammt aus einer Eishockeyfamilie. Sein Vater und seine Onkel haben selbst viele Jahre Eishockey gespielt. Die eigene Familie hatte daher den größten Einfluss auf seine Entwicklung. „Alle Jungen in unserer Familie haben Eishockey gespielt", erzählt er uns. Anreis Vater, Markku Hakulinen, verstarb im Oktober 1990, als Anrei gerade einmal neun Monate alt war. Auch wenn er seinen Vater nie wirklich kennenlernen konnte, erzählt er uns stolz von seiner Karriere, den mehr als 200 Spielen in der höchsten finnischen Liga und vor allem von der Teilnahme bei den Olympischen Spielen 1980 in Lake Placid, USA.
Das erste Mal selbst auf dem Eis stand Anrei mit drei Jahren mit seiner Mutter und seinem Bruder. „In Finnland hat man die Möglichkeit, im Winter einfach raus aufs Eis zu gehen und auf einem zugefrorenen See oder Weiher Schlittschuh zu laufen. Fast jeden Tag sind wir nach der Schule aufs Eis gegangen", erinnert er sich. Das erste Mal aktiv in einer Mannschaft spielte Anrei mit sechs Jahren. In der Jugendabteilung von Turun Kisa-Veikot, die sein Onkel trainierte, spielte er gemeinsam mit seinem Bruder und einem Cousin. Nicht nur selbst auf dem Eis zu sein bereitete Anrei Freude. Er verfolgte auch das Geschehen in der finnischen Profiliga sowie der NHL. „Ich war immer ein großer Eishockey-Fan. Ich habe mir Spiele im Fernsehen angesehen und NHL auf der PlayStation gespielt. Eishockey war und ist ein wichtiger Teil meines Lebens." Anreis Vorbilder außerhalb der eigenen Familie waren die beiden ehemaligem finnischen NHL-Spieler Teemu Selänne und Saku Koivu.
Nach einigen Jahren unter der Leitung seines Onkels wechselte Anrei 2007 schließlich in den Nachwuchsbereich der Profimannschaft von TPS Turku und spielte dort für das U18 Team. In den darauffolgenden Jahren war er in der U20 Mannschaft von TuTo Hockey in Turku aktiv, bis er mit 20 Jahren zum sechsmonatigen Militärdienst eingezogen wurde. Nach Ableistung der Wehrpflicht unterzeichnete Anrei einen Vertrag bei TuTo Hockey in der Mestis, der zweiten finnischen Liga. Einen Großteil der Saison spielte er jedoch für die U20 Mannschaft von TuTo Hockey. Zu dieser Zeit konnte sich Anrei nicht in der ersten Mannschaft durchsetzen, was auch daran lag, dass er nebenbei Arbeiten ging. In der Saison 2011–12 wechselte er zum Team VG-62 in die dritthöchste finnische Liga, bei dem er der beste Vorlagengeber und der drittbeste Scorer war.
Das Eishockeyspielen bereitete ihm zu dieser Zeit keine Freude. „Ich bin jeden Tag in der Früh in die Arbeit gefahren. Nach acht oder manchmal sogar zehn Stunden Arbeit bin ich abends noch ins Training gegangen. Ich war kurz davor, komplett mit dem Eishockeyspielen aufzuhören", erzählt er und fügt hinzu: „Im Dezember 2011 sagte ich meiner Mutter noch, dass das wirklich meine letzte Saison ist." Eines Tages im Januar erhielt Anrei jedoch einen Anruf von den Verantwortlichen von TuTo Hockey, die ihm einen Platz in der Zweitligamannschaft in Aussicht stellten. „Das war meine letzte Möglichkeit, Eishockeyprofi zu werden", erklärt Anrei, der diese Chance unbedingt nutzen wollte. So unterzeichnete er im März 2012 erneut einen Vertrag bei TuTo Hockey und war ab dieser Spielzeit ein fester Bestandteil der ersten Mannschaft. Im Laufe der Saison stieg seine Verantwortung innerhalb des Teams. Am Ende verbuchte er in 48 Spielen fünf Tore und 15 Torvorlagen und konnte sich somit für einen neuen Vertag für die kommende Spielzeit empfehlen.
Für die Saison 2013–14 verpflichtete TuTo Hockey mit Ismo Lehkonen einen neuen Trainer. Lehkonen glaubte fest an die Fähigkeiten von Anrei. „Der neue Trainer half mir dabei, den Sport wirklich professionell zu betreiben und die richtige Einstellung zu entwickeln. Das habe ich leider erst mit 22 Jahren gelernt", erzählt uns Anrei und fügt lachend hinzu: „Ich war ein klassischer Spätzünder." In dieser Spielzeit lief für Anrei alles nach Maß und er etablierte sich endgültig in der Mestis. In der Hauptrunde erzielte er in 54 Spielen 17 Tore und 32 Torvorlagen, was ihn zum zweitbesten Scorer des Teams machte. In den Playoffs führte er die Torschützenliste an, gewann die Bronzemedaille der Mestis und wurde in das All-Star-Team gewählt.
In der Saison 2014–15 wechselte Anrei zu den Pelicans Lahti in die Liiga, die höchste Spielklasse im finnischen Eishockey. „Nach dem Wehrdienst hätte ich nie gedacht, dass ich es jemals in die erste Liga schaffen werde. Ein paar Jahre später unterschreibe ich dann einen Vertrag bei dem Club, für den auch mein Vater und mein Onkel gespielt haben. Das war ein besonderes Gefühl für mich." Sein erstes Tor in der Liiga erzielte Anrei am 27. Dezember 2014 gegen Porin Ässät. Das Jahr verlief für ihn eher durchwachsen, wie er selbst sagt. „Es war sicherlich kein einfaches Jahr für mich. Ich musste mich an die neue Liga gewöhnen und hatte darüber hinaus mit einigen Verletzungen zu kämpfen. Auch als Mannschaft blieben wir leider hinter den gesteckten Erwartungen zurück."
Für die Saison 2015–16 verpflichtete Lahti mit Petri Matikainen einen neuen Cheftrainer, mit dem Anrei nicht zurechtkam. Im Dezember 2015 wurde er schließlich an den Liiga-Aufsteiger KooKoo ausgeliehen und spielte die restliche Spielzeit dort. „Das war das Beste, was mir passieren konnte", beschreibt Anrei die Situation rückblickend. Ein neues Team, eine neue Herausforderung, eine neue Chance. In seiner ersten vollständigen Saison in der Liiga schaffte er fünf Tore und 10 Torvorlagen in insgesamt 49 Spielen. Auch für die darauffolgende Spielzeit 2016–17 unterzeichnete Anrei einen Vertrag bei KooKoo, für die er bis 2020 tätig war. Der Durchbruch in der Liiga gelang ihm in der Saison 2018–19. Mit 17 Toren und 41 Scorerpunkten war er zweitbester Torschütze und drittbester Scorer des Teams und wurde erstmals in die finnische Nationalmannschaft berufen.
Nach vier Jahren bei KooKoo wechselte Anrei zu Rauman Lukko. In seiner ersten Saison in Rauma gewann er direkt die finnische Meisterschaft. „Das war neben meinem ersten Spiel in der höchsten finnischen Liga und meinem ersten Spiel für die finnische Nationalmannschaft der schönste Moment meiner bisherigen Laufbahn", erklärt er. Für die darauffolgende Spielzeit verlängerte Anrei seinen Vertrag bei Lukko Rauma. In der Saison 2021–22 wurde er vom Trainerstab des Teams außerdem zum Kapitän ernannt. In den Playoffs war er der beste Torschütze und Vorlagengeber des Teams. Im März 2022 unterzeichnete er erneut einen einjährigen Vertrag in Rauma für die Saison 2022–23 und war mit 13 Toren und 25 Torvorlagen der zweitbeste Scorer des Teams.
Nach insgesamt 422 Spielen für die Pelicans Lahti, KooKoo und Rauman Lukko in der höchsten finnischen Liga wechselte Anrei im Sommer 2023 zu den Panthern, seiner ersten Station außerhalb Finnlands. Keine einfache, aber dennoch die richtige Entscheidung für ihn. „Nach fast einem Jahrzehnt in der höchsten finnischen Liga war es für mich an der Zeit, etwas Neues auszuprobieren und neue Erfahrungen zu sammeln", begründet Anrei seine Entscheidung. Der Kontakt zum AEV kam durch den Assistenztrainer der Panther, Juha Nokelainen, zustande. „Juha kam auf mich zu und erzählte mir, dass Augsburg mich gerne verpflichten würden. Ich wusste ehrlich gesagt nur wenig über das deutsche Eishockey und habe mich im Internet über die Stadt, die Liga und die Organisation informiert. Kurze Zeit später sprach ich dann auch mit Christof Kreutzer. Wie bereits erwähnt, war ich auf der Suche nach einer neuen Erfahrung, wollte Verantwortung übernehmen und viel Eiszeit bekommen. Diese Möglichkeiten hatte ich bei den Panthern in Aussicht und war daher schnell von einem Engagement in Augsburg überzeugt."
In den ersten Spielen in Deutschland musste sich Anrei erst an die neue Liga gewöhnen. „In Finnland wird viel taktischer gespielt. Es gibt eine klare 'Defense First' Strategie und man nimmt sich mehr Zeit für den Spielaufbau. Hier gibt es viele Kontersituationen. Es ist ein ständiges hin und her", beschreibt er den Unterschied zum finnischen Eishockey und fügt hinzu: „Die ersten fünf Saisonspiele musste ich mich tatsächlich erst richtig orientieren und lernen, wie das Umschaltspiel hier funktioniert." Mit Otso Rantakari und Jere Karjalainen finnische Mannschaftskollegen zu haben, dazu noch mit Juha Nokelainen einen finnischen Assistenztrainer, das macht vieles einfacher für ihn. Generell hat Anrei den Wechsel nach Augsburg nicht bereut. „Alle Mitspieler und die Trainer sind unglaublich nett und hilfsbereit. Mir fiel es sehr leicht, mich in der neuen Liga und in einem neuen Land zurechtzufinden."
Wie in den letzten beiden Spielzeiten in Finnland ist Anrei auch in Augsburg einer der drei Mannschaftskapitäne. Ursprünglich war er Assistant Captain, seit dem Ausfall von Dave Warsofsky ist er Kapitän der Mannschaft. Die Verantwortung freut ihn. Seine Rolle beschreibt er wie folgt: „Es ist eine Ehre für mich. Ich gehe gerne mit gutem Beispiel voran. Ich bin kein Vielsprecher in der Kabine und auch nicht derjenige, der ständige Vorträge hält, obwohl ich diese Rolle natürlich übernehme, wenn es mal schlecht läuft und natürlich ebenso, wenn es gut läuft."
Abseits der Eisfläche fühlt sich Anrei sehr wohl in Augsburg. Mit seiner Frau und seinem Hund genießt er die Zeit in der Stadt. „Die Stadt gefällt uns sehr gut und hat für uns genau die richtige Größe. Sie ist nicht zu klein und nicht zu groß. Wir haben alles, was wir brauchen. Unsere Wohnung ist in der Nähe des Curt-Frenzel-Stadions und ich laufe jeden Tag nur wenige Minuten zum Training. Die Lebensgefährtin von Markus Keller ist ebenfalls aus Finnland, was gerade für meine Frau sehr hilfreich ist." Zeit für Reisen und Besichtigungen hatte Anrei bisher nur wenig, außer einen Abstecher nach München und ein Besuch von Schloss Neuschwanstein.
Aus seiner finnischen Heimat vermisst Anrei eigentlich nichts, abgesehen von Familie und Freunden natürlich, die ihn jedoch regelmäßig besuchen kommen. In seiner Wohnung in Augsburg hat er eine Sauna im Keller. Auch die die Sauna im Panther Gym nutzt er regelmäßig. Es ist also alles vorhanden, was das finnische Herz begehrt. Nur den Sprung in einen eiskalten See direkt nach dem Saunagang, diesen Wunsch konnte man ihm leider nicht erfüllen. Einzige Alternative, die Eistonne nach der Sauna.