Interview mit der DEL
30.06.09 - 15:57 Uhr
Wichtige Entscheidungen stehen an. Das von der Deutschen Eishockey Liga (DEL) angekündigte Konzept zur Neustrukturierung der Nationalmannschaft und deren Umfeld, die nach der enttäuschenden Weltmeisterschaft in der Schweiz harsche Kritik einstecken musste, wurde vor einer Woche an den Deutschen Eishockey-Bund (DEB) übergeben. Der Aufsichtsratsvorsitzende der DEL, Jürgen Arnold, hatte sich dazu mit DEB-Präsident Uwe Harnos getroffen, um die Eckpunkte vorzustellen und die Umsetzung voranzutreiben.
„Die DEL-Sportkommission hat
dieses Konzept in Abstimmung mit Aufsichtsrat und Geschäftsführung erarbeitet.
Wir hoffen darauf, dass der DEB die notwendigen Schritte zeitnah einleitet und
mit uns diesen Weg beschreitet“, erklärte Arnold, der gleichermaßen noch einmal
den Standpunkt der DEL heraus hebt: „So wie bisher kann es nicht weitergehen.
Es muss schnell etwas passieren, auch kurzfristig. Die WM im eigenen Land steht
vor der Türe.“ Doch nach einem zunächst
„sehr guten Gespräch mit Uwe Harnos“ (Zitat Arnold), scheint der DEB nun die
Rolle rückwärts vollziehen zu wollen. So stellte DEB-Generalsekretär Franz
Reindl gegenüber der FAZ fest, dass die Strukturen und handelnden Personen rund
um die Nationalmannschaft gut funktionieren und bei der letzten WM lediglich das
Schussglück fehlte. Die DEL stellt Konzept zur
„Neustrukturierung der Organisation Nationalmannschaft“ vor und sprach nicht
nur mit Jürgen Arnold, sondern auch mit den Sportkommissions-Mitgliedern
Karl-Heinz Fliegauf (Grizzly Adams Wolfsburg), Rodion Pauels (Kölner Haie),
Karsten Mende (Iserlohn Roosters) und Peter John Lee
(Eisbären Berlin).
Wie kommt es, dass die
DEL so offensiv ein Mitspracherecht in Sachen Nationalmannschaft fordert?
Jürgen Arnold: „Wir mussten nach den jüngsten Auftritten der
A-Nationalmannschaft, speziell bei den letzten beiden Weltmeisterschaften
feststellen, dass es keine Weiterentwicklung gab. Im Gegenteil. Sportlich ist
man sogar erneut abgestiegen. Die U20 und die U18 haben den Klassenerhalt
ebenfalls verpasst. Da kann die DEL nicht weiter tatenlos zusehen und darauf
hoffen, dass der DEB das mit seiner dünnen Personaldecke schon irgendwie
richtet. Negative Auftritte der Nationalmannschaft schaden dem gesamten
Eishockey, und damit natürlich auch der DEL. Die Kritik der Medien und der
Öffentlichkeit wird immer lauter. Wir wollen und müssen jetzt schnell
Verantwortung übernehmen, der DEB muss uns maßgeblich einbinden.“
Welche Veränderungen
stellt sich die DEL im sportlichen Bereich vor?
Karl-Heinz Fliegauf: „Grundsätzlich sprechen wir im Bereich der
Nationalmannschaft über vier wichtige Säulen, die ineinander greifen müssen:
Den Sportdirektor, den Teammanager, den Bundestrainer und den
Nachwuchscheftrainer. Genau hier möchte die DEL ihre Kompetenzen einbringen, um
eine Neuausrichtung zu erreichen. Wir haben hierzu einen klaren Vorschlag für
eine Strukturreform entwickelt und die entsprechenden Anforderungsprofile
definiert. “
Das bedeutet, die DEL
bestimmt und besetzt diese Positionen frei nach ihrem Willen?
Karsten Mende: „Nein, im Gegenteil. Ein Direktorat, bestehend aus
dem DEB-Präsidium und dem DEL-Aufsichtsrat, ernennt auf Empfehlung eines so
genannten „Kompetenzzentrums Nationalmannschaft“ - unter Vorsitz des
DEB-Vizepräsidenten Sport - einstimmig den Sportdirektor und den Teammanager.
Es soll also gemeinsam die Verantwortung getragen werden. Wer diese Posten
letztlich bekleidet, ist völlig offen und müsste erst noch in diesem Gremium
diskutiert werden. Der Sportdirektor ist vollständig und ausschließlich für den
sportlichen Bereich zuständig. Zu seinen Aufgaben gehört die Personalhoheit
über Spielerkader und Trainerstab. Er steht mit allen DEL-Trainern und Managern
in permanentem Dialog und verfolgt regelmäßig DEL-Spiele in den Stadien. Gerade
die derzeit kaum vorhandene Präsenz des DEB bei DEL-Spielen ist nicht
nachzuvollziehen. Schließlich sollte man ständig über den Leistungsstand der
Nationalspieler oder die Geschehnisse in der Liga informiert sein. Das liegt
nicht nur in der Verantwortung des Bundestrainers, sondern zukünftig auch in
der des Sportdirektors. Daher sollte er in der DEL gearbeitet haben oder eine
vergleichbare Erfahrung mitbringen.“
Rodion Pauels: „Die vielleicht sogar wichtigste Aufgabe des
Sportdirektors aber ist, dass er konzeptionell eine einheitliche
Spielauffassung entwickelt und diese Philosophie durch alle DEB-Trainer
umsetzen lässt. Dazu gehört auch die Schulung der Nachwuchstrainer und die
Erarbeitung weiterführender Programme. Der Nachwuchs muss mit einem gezielten
System auf den Profibereich vorbereitet werden. In der DEL wird das bereits an
vielen Standorten umgesetzt. Junge Spieler haben es dadurch leichter, im
Profibereich Fuß zu fassen.“
Wie ist die Position des
Teammanagers definiert?
Karl-Heinz Fliegauf: „Der Teammanager kümmert sich dagegen um alle
organisatorischen Maßnahmen und entlastet den Sportdirektor in diesen
Bereichen. Konkret bedeutet das: Der Teammanager nimmt PR-Termine wahr, steht
in ständiger Kommunikation mit den DEL-Medienvertretern, konzipiert und
koordiniert jegliche öffentlichen Auftritte und kümmert sich um allgemeine
Belange der Nationalmannschaft. Hinzu kommen die organisatorischen und
administrativen Aufgaben rund um die Turniere.“
Kommen wir zum
Bundestrainer - eine Schlüsselposition …
Peter
John Lee: „In der Tat. Wir verlangen vom Trainer der
A-Nationalmannschaft, dass er sich mit der vorgegebenen wie abgesprochenen
Personalpolitik und Spielphilosophie des Sportdirektors identifiziert. Hier
bedarf es einer engen Abstimmung. Es wäre doch kontraproduktiv, wenn der
A-Trainer eine gänzlich andere Auffassung vom System hat. Deswegen muss der
Sportdirektor bereits dem Nachwuchs eine Linie vorgeben, die in allen
Altersklassen umgesetzt wird. Natürlich immer vor dem Hintergrund des
internationalen Standards. Aufgrund der neu definierten Aufgaben des
Sportdirektors könnten der Bundestrainer und seine Assistenten eventuell auch
maßnahmenbezogen benannt werden.“
Welche Vorstellungen hat
die DEL im Bezug auf den Nachwuchs?
Rodion Pauels: „Auch hier verfolgen wir eine klare Ansicht. Der
Nachwuchscheftrainer ist für Planung, Durchführung und Steuerung der zentralen
Wettkampf- und Lehrgangsmaßnahmen mit persönlicher Betreuung der
Nachwuchskaderathleten zuständig. Und auch hier gilt: Die Orientierung an der
Spielphilosophie muss stimmen. Der Nachwuchsbundestrainer muss intensive
Spielbesuche in der DNL vorweisen und so immer auf dem neuesten Stand sein.
Darüber hinaus gilt es alle Lehrgänge zu koordinieren. Aber wir müssen nicht
nur die Spieler, sondern auch die Trainer besser ausbilden. Stichwort:Trainingshospitation
in vielen Bereichen. Die Qualität der Ausbildung muss optimiert werden. Eine
einheitliche Strategie sollte in allen Altersklassen erreicht werden und
erkennbar sein. Dazu gehört auch das effektive Scouting. Im Fußball hast du an
jeder Ecke gute Spieler, im Eishockey müssen wir uns die Rosinen herauspicken.
Die Talente müssen erkannt und gefördert werden. Der Anreiz für den Nachwuchs
muss gegeben sein.“
Wie lautet das Ziel ?
Karsten Mende: „Wenn wir in den kommenden Jahren unsere
Vorstellungen umgesetzt bekommen, von der Personalstruktur bis hin zur
einheitlichen Spielphilosophie, dann können wir dauerhaft unter die Top-Acht
Nationen kommen. Das muss unser Anspruch sein, auch wenn die Ergebnisse zuletzt
anders aussahen. Wir sollten bei Ausnutzung unseres Potenzials in der Lage
sein, an einem perfekten Tag auch mal eine Top-Mannschaft besiegen zu können.“